Umweltschutz

Schon Anfang der achtziger Jahre begann ein verstärktes Engagement der Gemeinde Ratekau im Naturschutz. Angeregt und unterstützt durch die beiden Umweltvereine "Arbeitsgemeinschaft Umwelt Gemeinde Ratekau e.V.-AUGE-" und den "Umweltschutzverein Sereetz -USV Sereetz-", sowie die politischen Parteien, wurde die Gemeinde Ratekau durch Erlaß des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 20.12.1983 als "Modellgemeinde Landschaftspflege" anerkannt.

Naturschutz und Klimaschutz auf Rezept in der Gemeinde Ratekau

Schon lange vor der UN-Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 und den daraus hervorgegangenen internationalen Abkommen zu Klimaschutz und Artenschutz gab es im schleswig-holsteinischen Ratekau eine Initiative, die die Voraussetzungen dafür schaffte, dass Erhalt der biologischen Vielfalt und Klimaschutz in der Gemeinde miteinander verknüpft werden. Zu verdanken ist dies dem Umweltverein AUGE (Arbeitsgemeinschaft Umwelt Gemeinde Ratekau), der sich vor zehn Jahren auflöste, und dem Umweltschutzverein Sereetz e.V., der bis heute existiert und seit seiner Gründung vor 33 Jahren maßgeblich an der Schaffung der organisatorischen, strukturellen und personellen Grundlagen für diese Symbiose von Klima- und Artenschutz beteiligt war.

Die Gemeinde Ratekau

Die 15.000-Einwohner Gemeinde Ratekau liegt zwischen Lübeck und der Ostsee im Landkreis Ostholstein, umfasst dreizehn Dörfer und damit eine Fläche von 6.000 Hektar. Die ländliche Struktur zeigt sich noch an der Einwohnerzahl einiger Orte, in denen nur knapp mehr als 100 Menschen leben und in denen große Bauernhöfe die dominante Bebauung darstellen. Fast 20 Prozent der Gemeindefläche bestehen aus Wäldern.Der Zentralort Ratekau hat rund 4.000 Einwohner. Die Gemeindeflächen liegen bogenförmig um den mit 360 Hektar größten See Ostholsteins, den Hemmelsdorfer See. Der See, wie auch das Tal der Schwartau, sind Überbleibsel der letzten Eiszeit. Sie beleben mitsamt dem stark hügeligen Relief der Endmoräne mit Schmelzwasserrinnen das Landschaftsbild. Dieses wird geprägt durch unterschiedliche Böden von Sand bis Lehm und verschiedene Lebensräume von Moor bis Trockenrasen. Neben dem Fluss Schwartau gibt es viele kleine Bäche und über 500 Kleingewässer. Durch Kiesabbau entstanden große Grundwasserseen, die heute zu den artenreichsten Lebensräumen gehören.

Biologische Vielfalt und Klimaschutz in Ratekau - wie alles begann

Durch gute Zusammenarbeit mit dem damaligen Bürgermeister Wilhelm Rehpenn, den politischen Parteien und den Landwirten führte der Umweltschutzverein Sereetz e.V., hervorgegangen aus einer Bürgerinitiative gegen ausufernden Kiesabbau, die Bewerbung Ratekaus zur „Modellgemeinde Landschaftspflege" 1984 im Rahmen einer landesweiten Ausschreibung zum Erfolg. Legendär sind aus dieser Zeit Rezeptzettel des 1. Vorsitzenden des Umweltschutzvereins, des Orthopäden Dr. Jörn Funck, an den Bürgermeister. Auf diese kleinen Zettel wurden gute Ideen schnell zwischen zwei Patienten oder vor dem Verlassen der Praxis zu Papier gebracht und umgehend an den Bürgermeister geschickt.

So besteht die erste Seite der umfangreichen Projektakten im Rathaus der Gemeinde zur Wiederherstellung und erneuten Flutung des 30 Hektar großen und in den 1920er-Jahren trockengelegten Ruppersdorfer Sees aus einem solchen Rezept. Damit kam eine besondere Kommunikations- und Projektkultur in der Gemeinde Ratekau in Gang, die bis heute durch intensive, oft tägliche Kontakte zwischen dem Doktor und der Gemeindeverwaltung, insbesondere mit der auf seine Initiative eingerichteten Umweltabteilung, gekennzeichnet ist. Die kontinuierliche Präsenz von Umweltthemen in der Öffentlichkeit, eingebracht durch den Verein, und die Gabe seines 1. Vorsitzenden, sowohl politische Parteien, als auch Gemeindeverwaltung sowie Kreis und Land für seine Ideen und Projekte zu begeistern, entfaltete mit den Jahren eine Eigendynamik, die bis heute wirksam ist. In ländlich geprägten Kommunen wie Ratekau steht der Naturschutz auf verlorenem Posten, wenn es nicht gelingt, die Landnutzer - vor allem die Landwirte - ins Boot zu bekommen. Auch hier hatte der Doktor das richtige Rezept: Er gründete die erste Rindergilde (zunächst mit Schwarzbunten und dann mit einer Galloway-Herde) Deutschlands als wirtschaftlich eigenständiger Pflegebetrieb für Naturschutzflächen und holte den Autor - früher in der praktischen Landwirtschaft in Ratekau tätig und ebenfalls Gründer einer Rindergilde im Kreis Flensburg - in die Gemeindeverwaltung. So begann 1987 auf Beschluss des neuen Bürgermeisters Rüdiger Stooß und des Gemeinderats der Aufbau einer Umweltabteilung. Nun wurde als eins der ersten Klimaschutzprojekte ein Energiekonzept im Jahr 1992 erstellt und zu dessen Umsetzung zwei Jahre später ein Energieingenieur eingestellt. Heute ist der damalige Energieingenieur Bauamtsleiter. Die Umweltabteilung wurde 1989 durch Zivildienstleistende (heute Bundesfreiwilligendienst) verstärkt. Zudem wurden im Jahr 2000 eine Diplom-Biologin und 2012 ein Umweltingenieur für ein gemeindeübergreifendes Naturschutzprojekt eingestellt.

Nachhaltigkeit

Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist in Ratekau über den des Naturschutzes hinaus seit Jahrzehnten verankert, und es existiert eine Tradition solider Haushaltspolitik als Grundlage für kommunalen Handlungsspielraum. Für nachhaltiges Handeln im Spannungsfeld zwischen biologischer Vielfalt und Klimaschutz, mussten richtungsweisende Beschlüsse zur Planung und Struktur, zu Satzungen und Projekten getroffen werden. Diese Orientierung auf den Natur- und Klimaschutz, vor allem auch gegenüber Einzelinteressen, hat sich als äußerst wichtig erwiesen. So wurden für die Erstellung des neuen Katasters ortsbildprägender Bäume und im folgenden Unterschutzstellungsverfahren der Gemeinde über 800 betroffene Eigentümer angeschrieben und deren Stellungnahme eingeholt. Schließlich werden im Baumkataster und der zugehörigen Satzung nur Bäume mit dem Einverständnis der Eigentümer gelistet. Auch Fördermittel für die Pflege von Privatbäumen sind im Haushalt der Gemeinde eingestellt. Eigentümer neuer Baugrundstücke in Gebieten mit Bebauungsplänen werden angeschrieben, wobei die gestalterischen und naturschutzrelevanten Festsetzungen des Bebauungsplanes (wie Anpflanzungen, Erhaltungsgebote, Einfriedungen, sickerfähige Ausführung von Befestigungen von Zufahrten und Stellplätzen) erläutert werden und für deren Beachtung geworben wird.

Beitrag von JÜRGEN LEICHER
Leiter der Umweltabteilung der Gemeinde Ratekau

Seit 1978 ehrenamtlich im Naturschutz aktiv (Landschaftspflegeverein Dummersdorfer Ufer und BUND). Zwölf Jahre nebenberuflich in der Land-wirtschaft tätig. 1985 bis 1987 hauptamtlicher Geschäftsführer beim BUND Flensburg. Seit 1987 Aufbau und Leitung der Umweltabteilung der Gemeinde Ratekau (Schleswig-Holstein). Studium der Agrarwissenschaften und des Schwedischen in Kiel, Dipl.-Ing. agr. 

Quelle:
Leicher, Jürgen: Naturschutz und Klimaschutz auf Rezept in der Gemeinde Ratekau. In: Klimaschutz & Biodiversität, Praxisbeispiele für Kommunen zum Schutz von Klima und Biodiversität, 2003, S. 70-79.

Den zweiten Teil des Artikels finden Sie unter dem Navigationspunkt Erneuerbare Energien.